Klangreize in Hülle und Fülle

Aachener Bachtage: Glänzender Abend mit Werken von Heinrich Schütz

Von Pedro Obiera

Aachen. Die Werke von Heinrich Schütz, einem der bedeutendsten Meister geistlicher Musik vor Johann Sebastian Bach, tauchten bei den Aachener Bachtagen bisher vor allem in gemischten Programmen mit anderen Komponisten auf. 

Im 1. Chorkonzert der 44. Aachener Bachtage in der nahezu vollbesetzten Kirche St. Michael widmeten sich Georg Hage und der Kammerchor des Bachvereins dem lange in Dresden tätigen Komponisten nun ohne jedes Beiwerk. Und zwar mit einer Auswahl von zwölf Motetten und Geistlichen Konzerten aus der gut doppelt so umfangreichen Sammlung der „Psalmen Davids“, die 1619 veröffentlicht wurde. Gesänge, die nicht nur durch ihre stilistische und klangliche Vielfalt von Interesse sind, sondern auch durch ihre enge Verbindung zum historischen Umfeld des Dreißigjährigen Krieges, der Schütz' gesamtes Hauptwerk beherrschte. Es handelt sich überwiegend um Texte mit flehenden, hoffenden und stärkenden Botschaften.

Nicht ohne Risiko

Risikolos ist die Gestaltung eines ganzen Konzerts mit diesen Werken freilich nicht. Auch wenn die acht- und mehrstimmigen Gesänge für Chor und ein Solistenquartett mannigfache Besetzungsvarianten vom Duett bis zur doppelchörigen Anlage erlauben, auch wenn die instrumentale Begleitung mit Zinken, Dulzianen, Barockposaunen und der Chitarrone, einer Art Riesen-Laute, für klangliche Reize in Hülle und Fülle sorgen, ähnelt sich der Tonfall der Stücke doch so stark, dass manches einförmiger wirkt als gewünscht. Eine Mischung mit Stücken aus anderen Phasen des Komponisten, vor allem der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, hätte dem Abend noch mehr Farbe verleihen können.

Das ändert nichts an der wie gewohnt hochwertigen Ausführung durch den exzellent einstudierten Kammerchor, der sowohl den festlich-hoffnungsvoll gestimmten als auch den zurückhaltend klagenden Stücken Glanz und Ausdruck schenkte. Gesanglich besticht der Chor ohnehin durch stilistische Flexibilität, Intonationsstabilität und klangliche Homogenität.

Auf gleichem Niveau agierte das auf diesem Gebiet versierte „arcipelago“-Ensemble für Alte Musik, das die Gesänge so farbig und lebendig einkleidete wie nur möglich.

Auch bei der Besetzung des Solistenquartetts bewies Georg Hage ein gewohnt glückliches Händchen mit der glockenklar singenden Sopranistin Gabriele Hierdeis, durch den stilsicheren Altus Alexander Schneider, den markant artikulierenden Tenor Benoît Haller und den kultivierten Bass Ekkehard Abele. Das kam nicht nur den Duetten zugute, sondern auch den Chören, in die sich die Solisten homogen integrierten.

Insgesamt ein glänzender Schütz-Abend, dem lediglich die letzte Prise an programmatischer Vielfalt fehlte. Entsprechend begeistert fiel der Beifall aus.

Aachener Nachrichten, 14.11.2017