Klangprächtige Rarität

Aachener Bachverein beweist Ehrgeiz mit Elgars Oratorium "The Apostels"

Von Pedro Obiera

Aachen. Nach erfolgreichen Aufführungen der Chorwerke „The Kingdom“ und „The Dream of Gerontius“ hat Georg Hage jetzt sein Faible für die in Deutschland immer noch stark vernachlässigte Chormusik Edward Elgars bekräftigt: mit einer ehrgeizigen Einstudierung des Oratoriums „The Apostles“. Damit nahmen Hage und der Aachener Bachverein im voll besetzten Krönungssaal des Aachener Rathauses das am wenigsten bekannte Chorwerk Elgars in Angriff. Dass das 1903 uraufgeführte Werk zugleich die größte Besetzung innerhalb seines gesamten Schaffens vorsieht, verlangte den Veranstaltern eine gehörige Portion Fantasie ab, um sie den räumlichen Bedingungen des Krönungssaals anpassen zu können.

Das führte dazu, dass der stattliche Chor und das davor postierte, nicht minder kleine Orchester den größten Teil der Vorderfront des Saals blockierten, so dass das Publikum weitgehend seitlich platziert werden musste. Wer die zweistündige Aufführung in den wenigen vorderen Reihen hören durfte, sah sich einem sehr massiven Orchesterklang ausgesetzt, dem das zum Glück mit großen Stimmen ausgestattete Solisten-Sextett nur mit beträchtlicher Kraftanstrengung Paroli bieten konnte. Das aber mit Erfolg.

Dafür stellt Elgar neben dem glaubensstarken Petrus den Verräter Judas Ischariot und die reuige Sünderin Maria Magdalena in den Mittelpunkt. Die eindringliche Bekehrung Maria Magdalenas und die Gewissensqualen des Judas nehmen einen großen Teil des Werks ein, womit Elgar interessante und zugleich irritierende Akzente setzt. Die „positiven“ Apostel treten meist nur im Ensemble in Erscheinung und wirken eher zweitrangig behandelt.

 
Exzellentes Solisten-Sextett
 
Auf große Arien verzichtet Elgar in dem aus der Apostelgeschichte und den Apokryphen zusammengestellten Text. Es dominieren expressive rezitativische Passagen, vor allem in den Partien der Sünderin und des Verräters, die geradezu opernhafte Züge annehmen. Der Chor verbreitet dagegen weitgeschwungene, klangprächtige, bisweilen salbungsvolle Lobgesänge, die in einem beeindruckenden Schlusshymnus von unwiderstehlicher Zugkraft gipfeln.

An Volumen mangelt es dem Aachener Bachverein beileibe nicht. Auch von den gesangstechnischen Anforderungen ließ sich der exzellent geschulte, noch schwierigere Aufgaben gewohnte Chor nicht in Bedrängnis bringen.

Das Aachener Sinfonieorchester brachte die üppig instrumentierte Partitur mit leuchtender Opulenz zum Klingen. Unvermeidlich allerdings auch mit beträchtlicher Lautstärke.

Dennoch führte die bewährte Altistin Marion Eckstein die expressive Partie der Maria Magdalena mit ihrer ausdrucksstarken, warmen und dunkel timbrierten Stimme vorbildlich aus. Auf gleicher Höhe formte der Bassist Raimund Nolte die nicht minder vielschichtig angelegte Partie des Judas. Mit mächtiger Stimme präsentierte Thomas Laske den Christus als starke und keineswegs frömmelnde Persönlichkeit. Die Tenor-Rezitative und die Rolle des Johannes lagen bei Markus Schäfer in besten Händen. Nathalie de Montmollin überzeugte als Jungfrau Maria und Engel Gabriel mit ihrem kristallklaren Sopran, und Ronan Collett rundete das exzellente Ensemble als Petrus adäquat ab.

Insgesamt eine hochinteressante Begegnung mit einer wirkungsvollen Rarität auf hohem künstlerischen Niveau. Entsprechend begeistert fiel der Beifall des Publikums aus.

Aachener Nachrichten, 9.3.2020