Aus den Aachener Bachtagen wird ein Aachener Bachtag
Das Dufay Ensemble bietet Mariengesänge in exzellenter Qualität.
Von Pedro Obiera-Körner
Aachen. „Glaube, Krise, Hoffnung.“ Georg Hages Hoffnung, die 47. Aachener Bachtage unter diesem Dreiklang wenigstens mit einem den Corona-Einschränkungen angepassten Programm absolvieren zu können, sollte sich nicht erfüllen. Das Eröffnungskonzert in der Kirche St. Michael am Sonntag war zugleich das Abschlusskonzert, die Bachtage schrumpften zum Bachtag.
Johann Sebastian Bach kam dennoch zu seinem Recht. Am Morgen in einem „Musikalischen Festgottesdienst mit Bach-Kantate“, im offiziellen Eröffnungskonzert am Nachmittag immerhin noch als Zugabe mit dem schlichten und tröstlichen Choral „Wenn wir in höchsten Nöten sein“. Natürlich nicht in Chor-Besetzung, sondern vom Dufay Ensemble zelebriert, einem exzellenten Vokalquintett, dem Annakantor Georg Hage als Bassist angehört. Allerdings blieb nicht einmal diese bescheidene Besetzung vom Virus unbehelligt. Zwei Stammsänger befanden sich in Quarantäne, wurden aber von dem Countertenor Friedemann Engelbert und dem Tenor Alexander Lüken gleichwertig ersetzt.
Auf dem Programm standen ausschließlich Mariengesänge von 1400 bis 1600, die vom frühesten Komponisten und Namensgeber des Ensembles Guillaume Dufay über die Renaissance-Ikone Pierluigi da Palestrina bis zum „jüngsten“ Meister Hans Leo Haßler reichten.
Filigran gestrickte Vokalpolyphonie
Zu hören waren diverse Motetten, eine Marien-Messe von Palestrina und ein Magnificat von Jacobus Vaet, einem heute nicht ganz so bekannten, aber seinerzeit hoch geachteten Hofkomponisten Kaiser Maximilians II. in Prag und Wien. Alle Werke orientierten sich an der filigran gestrickten Vokalpolyphonie der Zeit. Musik von ausgeglichener Ruhe ohne effektvolle Kontraste, die über 70 Minuten einen gleichförmigen Eindruck hinterlassen könnte, wenn man sich nicht darauf einlässt, das Ohr für feine stilistische Unterschiede zu spitzen.
Das setzt Interpreten voraus, die solche Nuancen vermitteln können, was dem top-professionell agierenden Dufay Ensemble trotz der Besetzungs-Änderungen keine Probleme bereitete. Der kristallklare Altus von Kaspar Kröner dominierte zwar das Klangbild, verschmolz sich dennoch nahtlos mit dem Countertenor von Friedemann Engelbert, dem Tenor von Alexander Lüken, dem Bariton von Cornelius Leenen und dem Bass von Georg Hage. Dass man sich auf eine perfekte Stil- und Intonationssicherheit sowie eine adäquate Textverständlichkeit verlassen konnte, versteht sich von selbst.
Ein stilles, besinnliches Konzert zum Einstieg in den kulturellen Shutdown, das hoffen lässt, dass sich die Pläne des Bachvereins zur Osterzeit umfangreicher realisieren lassen. Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Beifall.
Aachener Nachrichten, 2.11.2020